Weinbau als Ökosystem
Der konventionelle Weinbau als besonders intensive Form der Landwirtschaft gilt als extrem starker Eingriff in das ursprüngliche Ökosystem eines Standortes. Im Bioweinbau hat sich eine andere Sichtweise entwickelt: Weinbau als Teil des Ökosystems.
Die scheinbare Monokultur
Der Zuwachs an Waldrodungen gegen Ende der Völkerwanderung um 600 n. Chr., als die Besiedlungsflächen wieder zunahmen, hatte nicht nur negative Folgen auf die natürlichen Ökosysteme. Durch das neu entstandene Agrarökosystem etablierten sich Nischen für Pflanzen und Tiere anderer Standorte, was eine grössere Artenvielfalt mit sich brachte. Neben Kulturpflanzen (wie z.B. Weinreben,) wuchsen Wildkräuter, Wegrandvegetation, Pflanzen typischer Mikrostandorte und Ruderalpflanzen. Durch die schonende Bodenbearbeitung (Handarbeit, Pferd), Dauerbegrünung (Zwischenfutteranbau, Wildkräuter) und die Aufbringung von Mist, blieb die Fruchtbarkeit und Struktur des Bodens erhalten. Weinbau wurde nur an begünstigten Standorten wie Flusstälern und Hanglagen mit Expositionsvorteilen, betrieben. Über Jahrhunderte blieb diese scheinbare Monokultur in Wirklichkeit ein artenreiches Agrar-Ökosystem, ohne nennenswerte negative Einflüsse auf die Umwelt und Artenvielfalt.
Die eigentliche Monokultur
Nach der Industrialisierung kam der wirtschaftliche Zwang zur Technisierung und die Entstehung der eigentlichen, ungünstigen Monokultur. Der Einsatz von Technik für Flurbereinigungen, Bodenaustausch, und Bodenbearbeitung hatte gravierende Folgen auf die Bodenfruchtbarkeit. Diese Veränderung wurde oftmals nicht bemerkt, weil durch die Düngung mit leicht löslichen Nährsalzen Fruchtbarkeit vorgetäuscht wurde. Planungsfehler aber auch fehlendes ökologisches Bewusstsein führte dazu, dass Rand- und Rückzugsgebiete für verschiedenste Pflanzen- und Tierarten entfernt wurden. Etwa zur gleichen Zeit kamen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel auf den Markt. Das Ökosystem Weinberg wurde durch die Schadstoffe so beeinträchtigt, dass für eine Regeneration enorm viel Zeit, ökologisches Know-How und Engagement nötig ist.
Biologische Ansätze
Biowinzer und -winzerinnen versuchen dieses Ungleichgewicht im Rebberg wiederherzustellen. Das Fundament ist der Boden mit einer Bearbeitung und Begrünung, die dem Standort angepasst ist. Ziel ist es, die Bodenfruchtbarkeit und Struktur wieder aufzubauen. Anstelle leicht löslicher Mineralsalze werden organische Substanzen wie Kompost, Mulch, Stallmist oder Stoffe wie Steinmehl und Kalk verwendet, um die Nährstoffreserven im Boden aufzufüllen. Da eine Begrünung mit Begleitpflanzen im Rebberg erwünscht ist, entfällt die klassische Bodenbearbeitung im Sinne der «Unkrautbekämpfung». Die Kräuter und Blütenpflanzen dienen als Nahrung für wichtige Nützlinge. Eine flache und leichte Bodenbearbeitung lockert den Boden und wirkt der natürlichen Sackung und Verdichtung des Bodens entgegen. So verbessern sich die Lebensbedingungen von Bodenlebewesen und Pflanzenwurzeln. Mykorrhiza-Pilze entstehen auch nur bei äusserst schonender Bodenbearbeitung.
Mathias vom Weingut Bosshart + Grimm erklärt, wie sich die verschiedenen Kräuter positiv auf die Bodenlebewesen auswirken und so den Reben mehr und wertvollere Nährstoffe zur Verfügung stellen.
Ein lebendiger Weinberg bei Olianas in Sardinien.